• Nachgedacht: Verzeihen

    city wall kilkenny irlandDer Norweger Andreas Breivik hat vor über vier Jahren 77 Menschen getötet. Eine unvorstellbar grausame Tat, die mir noch immer unter die Haut geht.

    Kann, darf, soll man diesem Menschen verzeihen?

    Eine kurze Geschichte vorweg, die mich sehr bewegt hat: Vor einigen Jahren war ich in Berlin und hörte einer christlichen Straßenband zu. Sie priesen in ihren Liedern Gott, was jedoch bei den Umstehenden auf wenig Gegenliebe stieß. Sätze wie: „Wo war denn euer Gott in Auschwitz“ wurden gerufen. Ein Mann ging schließlich auf den Sänger zu und spuckte ihm voller Verachtung ins Gesicht. Dieser schluckte schwer, sah den Mann an und sagte: „Gott gibt mir die Kraft, dir zu verzeihen“. Er ließ den Spucker ziehen und sang weiter.

    Muss man gläubig sein, um verzeihen zu können? Ich bin vielmehr der Überzeugung, dass es die Einsicht braucht, dass niemand perfekt ist. Wir alle machen Fehler, kleine und große.

    Nach längerem Nachdenken bin ich zu dem Schluss gekommen, dass dem Verzeihen noch ein Schritt voraus geht: Ich muss erst mir selbst verzeihen können. Dies ist sicherlich keine leichte Übung, sondern scheint im Gegenteil, eine der schwersten Lektionen des Lebens zu sein.

    Doch wenn ich es nicht schaffe, mich von meiner Schuld zu befreien, so schleppe ich diese ein Leben lang mit mir herum. Ebenso jene Wunden, die von anderen Menschen hinterlassen wurden. Daher lerne ich nun, mir selbst und anderen zu vergeben. Auch Menschen wie Andras Breivik gehören dazu.

    Vergeben heißt, einen Gefangenen freizulassen, nur um zu entdecken, dass man selbst der Gefangene war.
    (Lewis B. Smedes)

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